Schwangeren–Prophylaxe / Primär-Primärprophylaxe 

Wir bezeichnen die Phase von der ersten Untersuchung des Babys in der Zahnarztpraxis bis ins Kleinkindalter als Primär-Prophylaxe. Sie deckt den Zeitraum vom Durchbruch des ersten Milchzahns bis zum vollständigen Milchgebiss ab - also vom 6. bis zum 36. Lebensmonat. Aber bereits in der Schwangerschaft beginnt die Vorsorge für Mutter und Kind - die sogenannte Primär-Primär-Prophylaxe. Da die sensible Zeit der Schwangerschaft aus zahnmedizinischer Sicht gesundheitliche Risiken für Mutter und Kind birgt, brauchen Schwangere eine gut strukturierte Beratung und Unterstützung. 

Welche Risiken können sich ergeben?

Aufgabe des zahnärztlichen Teams ist es, Risiken zu erkennen, diese zu überwachen und mögliche Folgen zu verhindern oder abzumildern. Viele Frauen denken jetzt nicht an Probleme mit den Zähnen und suchen während der Schwangerschaft gar keine Zahnarztpraxis auf. Hier ist ein gutes Netzwerk hilfreich. So sollten Frauenärzte, Geburtskliniken, Hebammen und Kinderärzte darauf hinweisen, wie wichtig auch die Mundgesundheit für eine unbeschwerte Schwangerschaft und für die Gesundheit des Kindes ist. Die nachfolgenden Risiken für die Zahngesundheit bestehen während der Schwangerschaft.

Schwangerschaftgingivitis

Die stärkere Durchblutung des Bindegewebes führt häufig zu einer Blutungsbereitschaft des Zahnfleischs. Viele Schwangere kennen dieses Phänomen nicht und vermeiden deshalb das Berühren des Zahnfleischsaums beim Zähneputzen. Das ist ungünstig, denn unter der bakteriellen Mehrbelastung entzündet sich das Zahnfleisch immer mehr: Es schwillt an und es bilden sich Pseudotaschen, die sehr schwer zu reinigen sind. Aus einer Schwangerschaftsgingivitis kann sich durchaus auch eine Parodontitis mit Abbau des Kieferknochens entwickeln.

Parodontitis

Parodontalkeime leben in der Tiefe der Zahnfleischtaschen und erzeugen Endotoxine, die sich negativ auf den gesamten Organismus auswirken. Es ist inzwischen erwiesen, dass die Keime, die eine Parodontitis unterhalten, auch die Ursache für Frühgeburten und ein niedriges Geburtsgewicht der Kinder sein können. Eine bestehende Parodontitis sollte zu Beginn der Schwangerschaft konsequent - wenn möglich auch chirurgisch - angegangen werden. Die Mundhygiene-Unterweisung muss sehr intensiv durchgeführt werden. 

Veränderungen des Speichels

Die Pufferkapazität des Speichels und die Speichelfließrate können sich stark verringern, was eine verstärkte Demineralisation der Zähne zur Folge hat. Die Kariesentstehung wird so unterstützt und schreitet progressivvoran. Hyperempfindlichkeiten sind eine zusätzliche Folge.

Erosionen 

Viel Schwangere leiden im ersten Drittel der Schwangerschaft unter Übelkeit und häufigem Erbrechen. Magensäure beeinflusst verstärkt das Mundmilieu. Auch das Essverhalten ändert sich. Der Heißhunger auf Saures unterstützt zusätzlich den Abbau des Schmelzes durch Erosionen. Häufig werden auch hier die Zahnoberflächen und Zahnhälse hyperempfindlich. 

Karies

Hormonbedingt kann die Anzahl der Mutansstreptokokken zunehmen. Bei einer bereits kariesaktiven Schwangeren sollte das Gebiss saniert und offene kariöse Läsionen sollten unbedingt beseitigt werden. Karies ist eine Infektionskrankheit. Eine Keimübertragung von den Eltern und anderen Bezugspersonen auf das Kind kann nach dem ersten Zahndurchbruch stattfinden.

Das Übertragungsrisiko wird umso höher, je mehr Keime sich in der Mundhöhle der Mutter/Eltern befinden. Diese Tatsache kann zusammen mit den Folgen einer falschen Ernährung dazu führen, dass die sogenannte Early childhood caries (ECC) das Milchgebiss zerstört. Daraus ergeben sich gravierende Folgen wie Sprachentwicklungsstörungen, Zahn- und Kieferfehlstellungen sowie Beeinträchtigungen des Kauvermögens. Auch eine falsche Ernährung und häufige Zuckerimpulse - etwa durch in Nuckelflaschen verabreichte gesüßte Getränke - können zu frühkindlicher Karies führen.

Die Folgen sind für die Kinder sehr belastend: Die frühzeitige Zerstörung der Milchzähne entstellt das Aussehen, der Spracherwerb ist erschwert, die Infektion kann auf das bleibende Gebiss übertragen werden und das Kauvermögen sowie der Durchbruch der bleibenden Zähne sind gestört.

Maßnahmen im ersten Trimester der Schwangerschaft

Neben der Überprüfung der Allgemein-Anamnese ist die Erstellung der Fluorid- und der Ernährungsanamnese sinnvoll. Die Mundschleimhaut ist zu überprüfen. Je nach Fall sollte ein Parodontalstatus erhoben werden. Es schließen sich eine SOLO Mundhygiene und ggf. eine Fluoridierung an. Auch über die Notwendigkeit der Zungenhygiene zur Minimierung der Bakterienbelastung ist zu sprechen. 

Die Prophylaxe-Assistentin klärt über die Ursachen von Karies, Gingivitis und Parodontitis auf. Sie erarbeitet mit der Patientin eine effektive Putztechnik und -systematik. Die Patientin sollte darauf hingewiesen werden, dass eine tägliche Zahnzwischenraumpflege zur Verhütung von Karies und Parodontose unerlässlich ist. Hinsichtlich des Abbaus von Zahnschmelz ist auch eine Ernährungsberatung vonnöten. Frisches Obst und Gemüse sowie die Problematik von säurehaltigen Nahrungsmitteln und Softdrinks sind zu erörtern. Die Schwangere ist auf die Möglichkeit der Übertragung von Kariesbakterien durch Schnuller, Fläschchen und Essbesteck aufmerksam zu machen.

Maßnahmen im letzten Drittel der Schwangerschaft

Eine SOLO Mundhygiene und ein Gespräch über die Infektionswege, die die Übertragung von Kariesbakterien auf das Baby ermöglichen: der Austausch von Speichel, der Schnuller, ein Kuss, Vorkosten, der gemeinsame Gebrauch von Zahnbürsten, Essbesteck etc. Jetzt ist es auch angebracht, mit der werdenden Mutter zu besprechen, wann der richtige Zeitpunkt ist, das Baby in der Zahnarztpraxis vorzustellen und wann die präventiven Maßnahmen starten sollten.

Recall

Sind die nötigen Zahnsanierungen bei der Mutter aus bestimmten Gründen vor der Entbindung nicht abgeschlossen worden, sollte jetzt die Behandlung weitergeführt werden. Das Neugeborene ist dabei immer mitzubringen. Viele Eltern sind sich nicht darüber im Klaren, wie wichtig Gerüche und Geräusche für das Neugeborene sind. Das Baby nimmt seine Umwelt durch den Geruchs- und den Gehörsinn intensiv wahr. Darum ist jedes Neugeborene in der Praxis herzlich willkommen - auch um es anzuschauen und zu bestaunen. Ungefähr ein halbes Jahr nach der Entbindung beginnt meist der Zahndurchbruch. Hier schließt sich der Kreis, die Angewöhnungsphase beginnt.